Der Wiener Cyclisten Club

Der folgende Text entstammt einer Festschrift aus dem Jahre 1923 anläßlich des 40-jährigen bestehens des Wiener Sport-Clubs. Er beleuchtet aus geringer Distanz als heute die Freuden, aber auch die Sorgen der Hochradfahrer zur Hochblüte des Hochrades.

Mehr als 40 Jahre ist es her, daß der Wiener Sport-Club unter dem Namen W i e n e r  C y c l i s t e n  C l u b das Licht der Welt erblickte. Achtzehn junge Männer, fast ausnahmslos dem Wiener Ruderklub P i r a t angehörend, waren es, welche nach einigen Vorberatungen am 24. Februar 1883 die gründende Hauptversammlung des W. C. C. abhielten und damit das erste Rennen gegen den Wiener Radfahrerverein Die Wanderer mit einer Tageslänge gewannen. Dr. Gustav L e n z, der Obmann der Piraten, wurd der erste Obmann des neuen, zweiten Wiener Radfahrervereines - der erste war der eineinhalb Jahre früher gegründete Wiener Bicycle-Club -; Rudolf B r ö s e gehört ihm heute noch an und Eduard E n g e l m a n n steht, wie bekannt, auch jetzt nach im Sportgetriebe. Die anderen Gründer sind teils gestorben, teils als Sportsmen verschollen.
Zu Beginn der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war es in Österreich und insbesondere in Wien mit dem Körpersport noch recht schlecht bestellt. Rudern, Eislaufen, Fechten und Schwimmen waren so ziemlich ane seine Disziplinen. Hätte nicht Viktor Silberer schan damals mit seiner "Angemeinen Sportzeitung" intensive Propaganda für den Körpersport betrieben und den Wienern und Österreichern dessen Entwicklung im Auslande nicht durch seine regelmäßigen Berichte aneifernd zur Kenntnis gehracht, hätte es sicherlich viele Jahre länger gebraucht, bis der von England aus seinen Siegeszug nehmende R a d f a h r s p o r t auch in Österreich festen Fuß gefaßt hätte.

Es darf nicht verwundern, daß es gerade die Ruderer waren, welche zuerst ein Interesse für diesen neuen Sport bekundeten. Sind auch die Elemente, in welchen beide Sportarten betrieben werden, grundverschieden, so haftet diesen doch ein gemeinsamer Grundgedanke - die rasche Vorwärtsbewegung durch eigene Kraft - an, so daß der übergang vom Wasser auf die Straße nicht befremdend wirkt.
Für den W. C. C. war es ein Glück, daß Ruderer an seiner Wiege standen. Der stramme Sportgeist, die eiserne Disziplin, der unbeugsame Wille körperliche Beschwerden siegreich zu überwinden, Tugenden, welche damals wie heute den Ruderer auszeichnen mußten, waren auch dem jungen Radfahrerverein ein wertvolles Angebinde. Das H o c h r a d mit all seinen Tücken, die Straße mit ihren Gefahren und Hemmnissen erforderte ganze Männer. Diese gab es im Vereine. Im Handumdrehen wurden seine Grundpfeiler errichtet: Mit Herrn Eduard Engelmann senior die Pachtung des Vereins- und Übungslokales abgeschlossen, die Piraten- Klubfarben (blau-rot) zu eigenen gemacht, Klubräder bestellt, die Dreß und das Klubabzeichen festgesetzt, ein Logbuch angelegt und an die praktische Betätigung des Radsportes geschritten.

Josef O p i t z war der erste Cyclist, welcher eine größere Radtour in das Logbuch eintragen konnte. Am 13. und 14. Mai legte er vom Klub aus über Exelberg-Tulln-Hadersdorf-Krems-Tulln-Greifenstein-Klub 147 km ohne Unfall zurück, eine Leistung, die für die damaligen Verhältnisse alle Anerkennung verdiente. Diesem Beispiele folgten bald andere Mitglieder und dehnten Ihre Fahrten einzeln oder zu zweit auf mehrere Tage aus, so daß der erste Jahres-Kilometerausweis für die wenigen Mitglieder bereits auf 8391 km wies, an welchen Josef Opitz mit 1350, Eduard Engelmann mit 1290 und Wilhelm Krone mit 1170 km als die drei Tausendkilometer-Bezwinger beteiligt waren. Diese Zahlen dürfen nicbt nach den heutigen Begriffen gewertet werden; es waren wahre Kriegskilometer, welche damals und auch noch in den späteren Jahren gefahren wurden. Die Behörden in Wien und auch in den Landgemeinden wetteiferten geradezu in den Erschwernissen, welche sie den Radfahrern durch Verbote und Strafen auferlegten. Die Beölkerung, groß und klein, in der Stadt und auf dem Lande, betrachtete den Radfahrer, der als N a r r   b e t r a c h t e t   w u r d e, für die gesitteten, vernünftigen Mitbürger als gemeingefährlich schien und die Bauernpferde stutzig machte, als Freiwild und behandelte ihn auch danach. Steine wurden nach ihm geschleudert, meuchlings Hindernisse vor das Rad geworfen, um Ihn zum Sturz zu bringen, und nicht selten mußte er auf offener Straße oder in Ortsgemeinden mit besonders hitzigen Widersachern den Faustkampf aufnehmen, der die blauroten Klubfarben oft unerwünscht popularisierte. Daß unter solchen Vcrhäitnissen der Gemeingeist unter den Radfahrern sehr gestärkt wurde, liegt nahe; ebenso, daß der Gruß "All Heil!" trotz oder vielleicht wegen seiner Doppelsinnigkeit auch dann noch seinen Klassensinn bewahrte, als er von der Straßenjugend mit Anspielung an den in späteren Jahren schwunghaft betriebenen Ratenhandel mit Fahrrädern auf "Heil auf Raten!" erweitert wurde.

Es dauerte übrigens verhältnismäßig recht lange, bis es den Radlern leichter gemacht wurde, sich in den Besitz eines englischen oder deutschen Rades zu setzen. Vorerst mußten die Klubmaschinen nach einem gewissen Turnus ausgeliehen und erst dann, wenn unter großen Opfern durch längere Zeit ein Kreuzer auf den anderen gelegt worden war, konnte man sich den Luxus einer eigenen Maschine gönnen. Dafür liebte man sie auch um sO mehr, betrachtete sie wie der Reiter sein Pferd und gab ihr wie diesem Eigennamen so: Dearling, Juno, Rosl, Pfeil, Es-Dam-Dam, Blitz, Stallbua Und ähnliches mehr.
Die Hindernisse, welche dem Fahren auf der Straße in den Weg gelegt Waren und die günstige Gelegenheit, welche das Übungslokal bot, führten im W.C.C. schon bald auf den Weg des Kunst- und Reigenfahrens. Am 15. März 1884 überraschte der Verein gelegentlich der Abhaltung seines ersten Gründungsfestes die in Massen anwesenden Festgäste durch eine militärisch eingeschulte Auffahrt seiner Mitglieder, wie durch eine in Wien noch nicht gesehene "Sechserschule", an der sich die Mitglieder W. A l t, R. B r ö s e, E. E n g e l m a n n, H. H a u g g, B. S c h w a m b e r g und J. W e i n e r beteiligten. - Damit war für den Verein der Grundstein für seine dominierende Stellung geschaffen, die er sich auf dem Speziaigebiete des Reigenfahrens erwarb und durch etwa 25 Jahre bewahrte. Am gleichen Festtage brillierte auch Eduard E n g e l m a n n als Kunstfahrer, auf welchem Gebiete er es im schärfsten Wettbewerb zu Meisterschaftsehren brachte.

Neben dem Straßen-, Reigen- und Kunstfahren wurde aber auch das Rennfahren bald gepflegt. Am 22 Mai 1884 wurde auf dem Wiener Trabrennplatze das erste interne Rennen veranstaltet, am 8. Juni Rudolf B r ö s e zu dem großen Bicycle-Meeting entsandt, bei dem dieser im Neulingsfahren über 1200 m in der Zeit 2:27 einen überlegenen Sieg über Franz Brauner vom Wr. Bicycle-C1ub und V. Kadlezik von den Wanderern feierte und im 2400-m-Rennen den zweiten Platz belegte.
Das Interesse für das Rennfahren beeinträchtigte aber keineswegs die Liebe zum Wanderfahren die sich am deutlichsten im Logbuche ausdrückte, das Ende 1884 hereits 9 Mitglieder auswies, die mehr als 1000 km, darunter drei - Engelmann, Bröse und Gericke - die mehr als 2000 km am Rade bewältigten. Das lnteresse am Straßenfahren verdoppelte begreiflicherweise den Eifer, im Vereine mit den Wanderern und mit dem W.B.C. bei den Behörden Erleichterungen in den Fahrvorschriften durchzusetzen ohne aber damit zu einem befriedigenden Erfolge zu kommen. Am 2 Oktober 1884 wurden im Zuge jener Bemühungen von Seite des Wiener Magistrates und der Polizei-Direktion hochnotpeinliche kommissionelle Prüfungen abgehalten, welche "die Manövrierfähigkeit des Bicycles und Tricycles" dartun sollten, um darnach, neue Vorschriften erlassen zu können. Wie wenig sich die gestrengen Herren von ihrer vorgefaßten Abneigung gegen das Fahrrad grundsätzlich abbringen ließen, beweist die Tatsache, daß alles beim alten blieb, trotzdem die besten Kunst- und Reigenfahrer des W.C.C. über die "Manövrierfähigkeit" des Fahrrades bei keinem Einsichtigen einen Zweifel aufkommen ließen.
Den glänzendsten Beweis hierfür brachte übrigens das am 24. Jänner 1885 abgehaltene Kostümfest auf dem Engelmannschen Eisplatze, bei dem unter Leitung Engelmanns von den Mitgliedern des Vereines Gustav Brand, R. BrÖse, O. Eberlein, H. Haugg, R. Kosina, F. Opitz, J. Stauda und J. Weiner eine Achter-Galaschule gefahren wurde, wie sie schöner und exakter nicht gedacht werden konnte.

Das Vertrauen, welches der Verein und seine Mitglieder zu ihrer Radfahrkunst hatten, hätte ihnen allein die ungezählten Erfolge, die sie auf diesem Gebiet im Laufe der folgenden Jahre errangen, nicht gesichert wenn nicht Verständnis und Geduld der leitenden Fahrwarte und Reigenkomponisten und ideale Disziplin und aufopfernde Selbstlosigkeit der ausübenden Mitglieder mitgeholfen hätten. Zu den erstgenannten Funktionären zählten vornehmlich Engelmann, Kramsall, Schwamberg, Stauda, Anton Euler, Zsollnay und Stöphl. Von diesen war es vornehmlich E u l e r, welcher sich durch besondere Beharrlichkeit und Strenge auszeichnete, während Z s o l n a y seine Klubkameraden durch seine Großzügigkeit gefangen nahm und seinem Willen unterordnete.

Es ist vielleicht am Platze, aus der langen Reihe saalsportlicher Veranstaltungen, die dem W.C.C. große Erfolge brachten, die wichtigsten schon an dieser Stelle hervorzuheben, soweit sie in den ersten Lebensabschnitt des Vereins fallen. Die alljährlich wiederkehrenden Feste des Gaues Niederösterreich des deutschen Radfahrerbundes waren ausnahmslos der Schauplatz des höchsten Triumph des Vereines im Reigenfahren, im Terzett-Kunstfahren, in dem Ed. Engelmann, J. Gerstbauer und A. Lohr ungeschlagen Meister blieben, wie im Solo-Kunstfahren des Meisters Engelmann. Zu den besonderen Begebenheiten zählten aber die sportlich immer etwas Neues bringenden "Gründungsfeste" des Vereines, von welchen jenes vom 11. April 1886 das erstemal eine vom Fahrwart M. Kramsall entworfene und trainierte und von den Mitgliedern G. Brand, J. Gerstbauer, F. Haumann, B. Hefele, R. Kosina, M. Kramsall, A. Lohr, F. Porth ohne Kommando gefahrene Hochrad-Schule am Programm hatte. - Am 15. und 16. August desselben Jahres holte sich das Kunstfahr-Terzett und Engelmann vom III. Bundestag des D.R.B. in Berlin die Siegestrophäen, die auch in den nächsten Jahren erfolgreich verteidigt wurden. Nicht unerwähnt darf auch die Beteiligung des Vereines an der am 12. November 1885 im Sophiensaale abgehaltenen "Bicycle Akademie" bleiben, bei der die "Zwölfer-Schule", das Terzett, Engelmann als Einzelkunstfahrer und die Radburleske "Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Bicycles" viel bejubelt wurden.

Den gleichen Aufschwung, wie der Saalsport nahm in der Zeit bis 1888 auch der Rennsport und insbesondere der Tourensport im Vereine. Auf der Rennbahn waren es vornehmlich die Mitglieder A. Bauer, R. Bröse, Engelmann, H. Haugg, F. Haumann, Hefele, A. Klomser, A. Lohr und J. Wejner, welche in jener Epoche den Verein ehrenvoll vertraten. Zu ausgesprochenen Siegesehren konnte es der selbige auf diesem Gebiete nicht bringen, da das Hauptinteresse dem Reigensport und dem Wanderfahren zugewendet blieb.
Welchen Umfang diese Sportbetätigung nahm, darüber geben die Jahresausweise ein beredtes Bild. In den Jahren l885, 1886 und 1887 von den Mitgliedern zurückgelegte Straßenkilometer stiegen von 43.780 auf 53.185 bezw. auf 76.447 an welch letzter Rekordziffer folgende Mitglieder den größten Anteil hatten: K. Böttcher mit 5157 km, Gustav Brand mit 4378 km, Anton Euler mit 4234 km und Adolf Lang mit 4006 km. Außer diesen Genannten, deren Erfolge zum großen Teile auf die beharrliche Ausnützung jeder freien Stunde beruhten, sorgten andere Mitglieder durch imposante Urlaubs-Radreisen für die Popularisierung des Radsportes und für die Zierung des Logbuches. Zu diesen zählten in erster Linie R. Bröse, E. Engelmann, F.W. Stoltz und K. Böttcher, die ihre Urlaubsfahrten schon damals bis nach Italien, Deutschland und in die Schweiz ausdehnten. Reisen welche in den späteren Jahren von vielen anderen Mitgliedern noch erweitert wurden.

Aus der ersten Epoche des W.C.C. die mit dem Jahre 1888 abgeschlossen werden muß, wäre noch als bemerkenswert zu erwähnen, daß schon am 13. Mai 1886 unter der Leitung M. Kramsalls eine Fechterriege im Klub errichtet und am 2. Juni 1887 das nach dem Entwurfe Engelmanns hergestellte Klubbanner als erstes Radfahrerbanner in Österreich eingeweiht wurde -- seine Patin wurde Frau Olga Frank, die Schwester Bröses. Dieses sichtbare Wahrzeichen des Vereines spielte in der Geschichte des Klubs oft und oft eine bedeutsame Rolle und fehlte nie, wenn es galt, ihn als Represäntanten des Radsports öffentlich zur Geltung zu bringen. Der Hinweis auf dieses zum Heiligtum gewordene Banner hat aber auch nicht selten die innere Festigkeit des Vereines gestärkt, wenn dieselbe, wie dies in einem Verein unvermeidlich ist, ab und zu in Gefahr stand.
Die Ausgleichsverhandlungen, welche mit der Opposition gepflogen wurden, blieben leider erfolglos, so daß anfangs Jänner 1889 der Austritt von Vorläufig 20 Mitgliedern nicht mehr zu verhindern war. Darunter befand sich auch Eduard Engelmann. Daher war ein Verbleiben in den von dessen Vater gemieteten Vereinslokalitäten nicht zu denken und der W.C.C. mußte schleunigst nach einem neuen Klubheim Umschau halten, das er sehr zufriedenstellend und unter günstigen Bedingungen in den Räumen der ehemaligen F. X. Rußschen Restauration (Hernalser Hauptstraße 13) fand. Am 31. März fand bei strümendem Regen der Umzug in das neue Heim statt, das dem Vereine trotz seiner ominösen Orientierungssnummer Glück brachte. Die Zahl "13" spielte im Leben des W. C. C. fortab eine bedeutsame Rolle und wurde nachgerade zur guten Vorbedeutung.
Was an den ausgetretenen Mitgliedern, welche sich unter dem Namen Wiener Cyclisten v. 1889 zu einem neuen Verein zusammenschlossen, verloren ging, zeigte sich gelegentlich des am 11. und 12. Mai 1889 in Wiener-Neustadt abgehaltenen Gaufestes des D. R. B., zu dem der Verein nur eine "Sechser-Schule" stellen konnte und gegen die "Achter-Schule" der Wr. Cyclislen v. 1889 glatt unterlag. Auch sonst machte sich der Verlust hervorragend qualifizierter Mitglieder noch durch einige Zeit sportlich recht deutlich kenntlich. Der eiserne Wille und der bewunderungswürdige Klubgeist, der die alten Mitglieder beherrschte und sich zwingend auf die neuen übertrug, überwand aber bald alle Schwierigkeiten und führte den W. C. C. bald zu neuem sportlichen Anfstieg. Dies sowohl anf dem Gebiete des Tourensportes, wie im Rennsport und im Korsofahren.
Die Kilometerausweise der Jahre 1889, 1890, 1891 und 1892 bewegten sich in der steigenden Linie 24.977, 42.979, 52.683, 54.139 km. Im Rennsport erwuchsen dem Verein in Julius Stauda, M. Deuerling, Josef Lugert und Hugo Haupt erfolgreiche Vertreter der blauroten Farben. Was schließlich das Korsofahren anbelangt, wurde dieses für den W.C.C. eine sichere Domäne bei allen öffentlichen Radfahrer-Aufzügen. Dank der strengen Zucht, welche die jeweiligen Fahrwarte ohne Unterbrechung sowohl in bezug auf korrekte Haltung wie auf tadellose Dreß übten, präsentierte sich der Klub selbst bei der denkbar größten Beteiligung stets wie aus einem Guß und blieb selbst in den schwierigsten Lagen immer Herr der Situation.

In diese Entwicklungsepoche des Vereines fällt die interessanteste Periode des Radfahrsportes. Das Interesse für diese körperliche Betätigung nahm im Laufschritt zu. Die von J. Nechlediel aus Anlaß des zehn jährigen Klubbestandes verfaßte Chronik des W. C. C. berichtet über das am 17. April 1890 abgehaltene Gründungsfest, daß acht Radfahrervereine, und zwar der W. B. C., die Wanderer, der Wiener Radfahrer Club, der Wlener Velocipedisten Club der Club Wlene Herrenfahrer, die Touristen, Schwalben und der Vorwärts, Abordnungen entsandten. Der gleichen Quelle ist zu entnehmen, daß am 22. Juni desselben Jahres von den vor genannten Vereinen vermehrt von den eigenen und den Distanzfahrern, Nordwien, Schottenfelder Wiener Cyclisten von 1898, Rapid und noch zwei tschechischen Vereinen, ein internationales Radwettfahren veranstaltet wurde. Man sieht, daß schon zu jener Zeit kein Mangel an Radfahrervereinen war, was natürlich auch mit einer recht lebhaften Außenpolitik verbunden war, an der sich auch der W. C. C. sehr eifrig beteiligte.
Der eine Teil dieser Arbeit zielte auf den Zusammenschluß der Vereine zu größeren Körperschaften ab, um mit mehr Nachdruck auf die noch immer engherzigen Behörden einwirken und aucn reine Sportfragen von gemeinsamen, höheren Gesichtspunkten regeln zu können. Das zweite Ziel war die Organisation des Rennbetriebes und die Schaffung einer eigenen Radrennbahn, die auch im Prater in mustergültiger Form errichtet wurde. An allen diesen Arbeiten nahm der Verein regen Anteil. Durch lange Zelt war er eine Hauptstütze des Gaues 34 des D. R. B., in dessen Vorstand der W.C.C. stets vertreten war. Unleidliche Gauverhältnisse veranlaßten aber Ende 1889 den Verein, aus diesem Bunde auszutreten und sich am 25. April 1890 an der Gründung des Gaues 1 (Niederösterreich) des Bundes deutscher Radfahrer Österreich, zu beteiiigen. -- Der Rennsport lag in den Händen des Verbandes Wiener Radfahr-Vereine für Wettfahrsport, dem der W.C.C. seit 1891 als Mitglied angehörte und in Bohuslaw Schwamberg, seinem vieljährigen Obmann, den gewiegtesten Starter zur Verfügung stellte.
Daß der Radsport gegen Ende der achtziger Jahre einen rapiden Aufschwung nahm, ist nicht zuletzt der Erfindung des Niederrades - das als "Sicherheltszweirad" schon im Jahre 1887 zu Rennhahn-Wettbewerben zugelassen wurde -- zuzuschreiben.
Ein Beschluß von besonderer Bedeutung wurde auf Antrag Josef Nechlediels in der am 26. Februar 1892 zu Ende geführten IX. ordentlichen Hauptversammlung gefaßt, nämlich die Herausgabe einer eigenen periodischen Zeitschrift, die "Mitteilungen des Wiener Cylisten-Clubs". Mit diesem Beschlusse schuf sich der Verein ein Denkmal von besonderer Bedeutung. Der Zweck, dem dieses Organ dienen sollte, war, die Verbindung der Klubleitung mit den Mitgliedern inniger zu gestalten und auch jenen Vereinsangehörigen, welche nicht in der Lage waren, den Klub regelmäßig zu besuchen, von den Vereinsereignissen Kenntnis zu geben. Der Anreger dieser "Mitteilungen", Josef Nechlediel, war ihr erster Schriftleiter. Am 16. März 1892 erschien die erste Nummer; ihre Folge war zuerst monatsweise gedacht, aber dem Bedürfnisse entsprechend bald auf eine vierzehntägige vermehrt. Was dieses Kluborgan dem W.C.C. im Laufe der Jahre wurde und wie sehr es aus dem ursprünglich gedachten Rahmen hinauswuchs und ein geachtetes Glied der Sportpresse wurde, kann nur derjenige beurteilen, der seine Entwicklunlg miterlebte, oder Gelegenheit hat, darin nachzublättern. Fünfzehn Jahre ehrenvolles Dasein war diesm "Mitteilungen des W.C.C." beschieden und ein Jahr Martyrium als "Mitteilungen des Wiener Sport-Clubs" und dann fielen sie mit Schluß des Jahres 1907 als Opfer einer neuen Zeit.

Die erste Dekade seines bestandes beschloß der Wiener Cyclisten-Club mit einer vom 24. bis 26. Februar 1893 in den Blumensälen abgehaltenen Gründungsfest mit dem er bewies, daß er im Schul- und Kunstfahren seine alte Höhe wieder erreicht, wenn nicht sogar übertroffen hatte. Das Fest bot auf dem Gebiete des Saal-Radsportes mehr, als die kühnste Phantasie erträumen konnte.
Der große Erfolg, welchen der Verein mit seinem zehnten Gründungsfeste errang, wirkte außerordentlich aneifernd auf den weiteren Sportbetrieb und auch auf den Klubgeist. Der Tourensport nahm einen bis dahin noch nicht gesehenen Aufschwung -- Im Rennsport waren nebst Josef Lugert R. Wospiel, Stauda und Meidinger erfolgreiche Vertreter des Klubs - Was schließlich den Klubgeist anbelangt, kann diesem nichts besser kennzeichnen, als die Anregung, welche Franz Löw gelegentlich des am 30. Dezember 1893 abgehaltenen Weihnachtsfestes zum Bau eines eigenen Klubhauses gab. Anfänglich schien diese Idee als müßiges Phantasiegebilde und das Bild, welches Löw nebst einer Kassette "für den Hausbaufonds des Wiener Cyclisten-Clubs" spendete, als die einzige Realität des kühnen Gedankens. Der Feuereifer, mit dem Löw seine Anregung beharrlich zu vertreten wußte, seine zündende Begeisterung für die Sache wirkte aber bald befruchtend auf seine Klubkameraden und rascher, als es selbst er dachte, nahm der Gedanke feste Formen an. Der Hausbaufonds wuchs im Laufe des Jahres sichtbar an, was von dem guten Willen und dem Vertrauen der Mitglieder Zeugnis gab. In einer am 15 Dezember 1894 abgehaltenen außerordentlichen Hauptversummlung wurde der Beschluß gefaßt, an die Verwirklichung der Löwschen Anregung zu schreiten und die Durchführung der Arbeit einem aus den Mitgliedern Schwamberg, Halledauer, Hans Hornacsck, Löw, Steinhofer, Anton Euler, Haumann, Reisinger, W. Stift sen., Franz Derbohlaw, Anton Karl und Ignaz Winter bestehenden Hausbau-Komitee übertragen. Dasselbe ging mit Eifer an die Arbeit, sicherte sich durch eine SubskriptiOn unter den Mitgliedern den notwendigen Baufonds, was ihm um so leichter gelang, als jeder mit Freude gab, was er entbehren oder sich vom Munde absparen konnte und weil die Mitglieder Wilhelm Stift sen. und R. Halledauer größere Beträge Zu zeichnen in der Lage waren. Ohne Verzug wurde an die Erwerbung des Baugrundes geschritten und Architekt Steinhofer und Baumeister Max Haupt - beide Mitglieder des Klubs - mit der Entwerfung, bzw. mit dem Baue des Klubhauses betraut. Diese Vorarbeiten gingen so rasch vonstatten, daß schon am 16. Juni 1895 die Grundsteinlegung vorgenommen werden konnte. Dem Zusammenwirken aller Kräfte und dem Opfermute, den eine Anzahl Mitglieder, wie Steinhofer, Max Haupt, Jakob Dietrich, Haumann, Anton Karl, J. Böck, R. Stöphl, Alex Kovats, ]gnaz Winter u a. bei der Errichtung, Ausgestaltung und Einrichtung des Klubhauses bewiesen, war es zu danken, daß das Werk in verhäitnismäßig kurzer Zeit und mit den denkbar geringsten Kosten vollendet werden konnte.
Am 1. Dezember 1895, an einem Sonntage, erfolgte die feierliche Schlußsteinlegung und Eröffnung des Klubhauses. Es war ein Ereignis, das weit über den klublichen Interessenkreis hinausging. War es doch in Österreich das erste Gebäude, das von einenl Radfahrervereine auf eigenem Grunde erbaut und ausschließlich sportlIchen Zwecken gewidmet wurde. An diesem Ereignis nahm nicht nur dIe gesamte Sportgemeinde Österreichs, sondern auch die Gemeinde Wien und die Öffentllchkeit den regsten AnteIl. Der Eröffnungstag war nicht nur für den Verein, sondern auch für den gesamten XVII. Gemeindebezirk ein Festtag erster Ordnung, was sich deutlich aus dem lauten Beifall zeigte, der die Festgäste auf dem ganzen Wege von Seite der Bevölkerung umrauschte, als sie sich in der endlosen Kolonne von 74 Fiakern zum Klubhaus begaben. Es würde natürlich zu weit führen, alle oder auch nur einen Teil der Einzelheiten dieses seltenen, ja einzigen Festes anzuführen. Nur das eine soll gesagt werden, daß sowohl am Festtage selbst gelegentlich des in der Sporthalle mit 223 Gedecken abgehaltenen Banketts, wie auch lange Zeit nachher die moralische Großtat, welche die Mitglieder des W.C.C. leisteten, die größte Bewunderung der Sportwelt auslöste. Bei vielen Vereinen wurde natürlich nebenbei auch das Gefühl des Neides geweckt, bei manchen der Wunsch, es dem W.C.C. über kurz oder lang gleichzutun. Diesem Wunsche folgte aber in keinem einzigen falle im gleichen Umfange die Tat, denn kein zweiter Yerein konnte sich eines gleichen Korpsgeistes rühmen und keinem war es später gegönnt, den gleich günstigen Zeitpunkt für ein so schwieriges Werk zu erhaschen.
[...]

In Zsolnays Fahrwartzeit fiel auch ein Ereignis, das an die Strammheit und den Opfermut der Mitglieder große Anforderungen stellte, aber auch das Ansehen des W.C.C. noch weiter befestigte. Es war die Beteiligung von 39 Cyclisten und Cyclistinnen an dem Huldigungsfeste, das die österreichischen Radfahrer dem alten Kaiser am 17. Juli 1898 in Ischl boten. Der Verein eröffnete mit seinem von Zsolnay am Hochrade getragenen Banner die lange Reihe der Radfahrer, die nach Vereinen gruppiert, auf der Ischler Rennbahn vor dem Kaiser und den übrigen anwesenden Mitgliedern des Hofes defilierten. Darauf wurde auf einem der Hofloge gegenüber errichteten Podium vom Vereine ein Niederrad-, ein Hochrad- und ein von den Ehepaaren Braun, Frank, v. SzabO und Frau Pribil mit Hans v. Haslmayr gefahrener JubiläumsreIgen exekutiert [...]

aus: Vierzig Jahre Wiener Sport-Club; 1883-1923; Ein Rückblick auf die Geschichte des Wiener Sport-Clubs

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