Ischl 1898

aus der 'Algemeine Sport-Zeitung' vom 24.Juli 1898

Huldigungsfest der Ischler Radfahrer

Samstag den 16. und Sonntag den 17.Juli.

Die am 16. und 17. d.M. in Ischl abgehaltenen Radfahrerfestlichkeiten nahmen trotz des mangelhaften Arrangements und der in Folge dessen bei ihnen vielfach herrschenden Unordnung einen wenigstens programmgemässen Verlauf. Die Witterung war herrlich, der Besuch in Folge dessen riesig. Ischl war überfüllt mit Fremden, die gekommen waren, um dem Feste beizuwohnen. Noch an dem ersen der beiden Festtage wurde morgens fieberhaft gearbeitet, um die Decorationder Häser u.s.w. bis zum Fackelzug am Abend fetigzustellen. In allen Strassen wimmelte es von Radfahrern und Radfahrerinnen aller Nationalitäten. Auf der Renn- und Cosobahn wurden die letzten Vorbeeitungen getroffen. Das Geläf war ausgezeichnet, jedoch waren die Curven so wenig überhöht, dass vielfach für die Rennen des Sonntags Stürze befürchtet wurden.

Bei Eintritt der Dunkelheit gebann der Zuzug des Publicums zur Kaiservilla, vor welcher die erste Huldigung in gestalt eines Fackelzuges stattfinden sollte. Die Betheiligung des Publicums, besonders der Landbevölkerung war ungeheur. Der Fackelzug an dem ungefähr 300 Radfahrer theilnahmen, bewegte sich durch die Wienerstrasse, Kreuzplatz, Götzstrasse zur Kaiservilla, wo drei Militärcapellen aufgestellt waren. Bei der Kaiservilla wurde Halt gemacht. Als sich Seine Majestät am Eingange des Schlossparkes zeigte, wurde die Volkshymne intonirt und die Radfahrer sowie das Publicum brachen in stürmische Heil- und Hochrufe aus. Der Monarch zeigte hier den Präsidenten des Huldigungsfestcomites Vellissky mit einer Ansprache aus, in der er seine Zufriedenheit über das gesehene ausdrückte, und zog sich sodann in den Schlosspark zurück. Hierauf löste sich der Zug auf.

Leider herrschte während des ganzen Zuges ein geradezu lebensgefährliches Gedränge. Die Theilnehmer an dem Fackelzuge mussten sich selbst einen Weg bahnen, und bei dem Eingange zur Kaiservilla drängte sich das Publicum in direct unanständiger Weise ganz bis an den Monarchen heran. Wenn schon das Ischler Publicum so wenig Ordnung halten konnte, so hätte das Comite eben ein Spalier von Feuerwehr aufstellen müssen.

Am Sonntag begannen sodann die eigentlichen, grösseren Festlichkeiten. Die Frühzüge des Tages hatten zu diesen wieder grosse Schaaren von Radfahrern nach Ischl gebracht, so dass alle Hotels und Gasthäuser überfüllt waren. Um 8 Uhr Vormittags wurden die Vor- und Zwischenläufe zu den beiden Kaiserjubiläums-Radwettfahren abgehalten.

In den Vorläufen des Amateur-Rennens qualificirten sich die Rennfahrer Langsteiner, Battisti, Nunnenmacher, Schmidt, Christian, Beck, Francan, Geiger zur Theilnahme an den beiden Zwischenläufen. Im ersten derselben siegte Langsteiner leicht gegen Nunnenmacher, Battisti und Schmidt. Den zweiten gewann Christian sicher gegen Geiger Francan und Beck. In diesem Lauf wurde Francan von Geiger behindert. Ein Protest seinerseits wurde zurückgewiesen, da kein Bahnrichter anwesend war. Von den zwei Vorläufen des Berufsfahrerrennens gewann den ersten Lurion sehr leicht gegen Gutzlnigg, Förster und Meth, während im zweiten Reuther nach kurzem Kampf Lusum, Siebenschein und Swatosch hinter sich liess.

Vormittags fand dann noch ein feierlicher Dankgottesdienst statt, an dem u.A. eine grosse Anzahl Radfahrer theilnahm.

Um 1 Uhr Nachmittags begann die Aufstellung zum Festzug. In der Zwischenzeit hatten sich alle Strassen allmälig dicht mit Neugierigen gefüllt, die den Corso sehen wollten. Um 3 Uhr setzte sich die endlose Schaar der Festzügler in Bewegung. Der Weg des Zuges führte über den Kreuzplatz, Poststrasse, Pfargasse, Esplanade und Kaltenbachstrasse zur Cosobahn, wo die Corsotheilnehmer die Ankunft des Kaisers erwarteten. Die neu errichtete Tribüne war vollständig ausverkauft, trotzdem die Preise unverhältnismässig hoch waren. Die Ordnung war auch hier äussert mangelhaft, die den Ordnungsdienst versehende Feuerwehr entsprach den Anforderungen, die man in dieser Hinsicht an sie stellen musste, in keiner Weise.

Um 1/2 5 Uhr verkündeten Trompetensignale die Ankunft Sr. Majestät und des Allerhöchsten Hofes. Beim Eingange wurde der Kaiser von dem Empfangscomite, an dessen Spitze der Statthalter Baron Pouthon stand, erwartet. Unter den Klängen der Volkshymne und brausenden Hochrufen schritten der Kaiser, die Frau Erzherzofin Valerie sowie die Erzherzoge Ludwig Victor und Franz Salvator über die Bahn zur Hofloge. Kurz darauf begann der Corso. Der Zug wurde von dem Bannerträger des Ischler Radfahrer-Club eröffnet. Ihm folgten die Gruppen: des Wiener Cyclisten-Clubs, des Wiener Bycicle-Clubs, des Damen-Radfahrer Vereines Steyr, des Radfahr-Clubs der Hof- und Staatsbeamten, des Radfahr-Clubs 'Cyklon', des Radfahr-Clubs Dornbach, des Oesterreichischen Touring-Clubs; die Vereine 'Wanderrad', 'Volksradverein', 'D'Meidlinger', 'Zeus', 'Victoria', Ottakringer Radfahrer, 'Flott und Einig', 'Diana', 'Wienerwald', 'D'Radler', Radfahr-Verein München, Radfahr-Club Aussee, Sarajevoer Radfahrer-Club, Radfahrer-Club Waydhofen a.d. Thaya, Enns, Grundlsee, Freistatt, Amstetten, Felixdorf, Mostar, Micheldorf, Haag, Ebensee, Abbazia, Obenberg, Mauerkirchen, Aurolzmünster, Braunau an Inn, Ternitz, Berndorf, MAutern, Nieder-Einsiedel, Hilm-Kematen, Vesprim, der Deutsch-akademisch-technische Radfahrer-Verein Prag, Gmunden, 'Waffenrad' Steyr, Lundenburg, Innsbruck, Salzkammergut und Ischler Radfahrer-Club. Die besondere Aufmerksamkeit Sr. Majestät erregten einige ganz kleine Kinder zu Rad sowie die Gruppe 'Salzkammergut', die durch Radfahrerinnen und Radfahrer in der ortsüblichen Nationaltracht repräsentiert war.

Ein Kunst- und Reigenfahren schloss sich dem Corso an. Bei ihm zeichnete sich der Wiener Cyclisten-Club besonders aus. Seine Mitglieder brillirten mit einem hübsch und präcise gefahrenen Achter-Niederrad-Reigen.

Auch die Kunstfahrübungen des bekannten Kunstfahrers Gustav Schreiber gefielen sehr gut. Er fuhr in der That recht gut.

Grosses Interesse erregten die Entscheidungsvorläufe der Radrennen, welche die Fortsetzung des Corso bildeten. In jenem für Herrenfahrer erhielt Christian den ersen Preis zuerkannt, während Langsteiner und Nunnenmacher ihm zunächst placirt wurden. Bei diesem Rennen wurde nämlich eine Runde zu früh geläutet. In der eigentlichen letzten Runde war Nunnenmacher Erster, doch wurde der Einlauf der vorletzten Runde als giltig angenommen; den Führungspreis holte sich Geiger.

Die Entscheidung des Jubiläumsrennens für Berufsfahrer verlief correcter und interessanter. An ihr nahmen Gutzelnigg, Lurion, Lusum und Reuther theil. Gutzelnigg führte in scharfem Tempo bis zur letzten halben Runde, wo Reuther plötzlich vorging und einen kleinen Vorsprung gewann. Lurion holte ihn rasch ein, nahm in der Curve dann die Spitze und wies auf der Geraden einen Angriff Reuther's sicher mit drei Längen ab.

Nach Beendigung der Rennen defilierten sämtliche Radfahrer vor Sr. Majestät. Der Kaiser dankte hierauf dem Comite für die Veranstaltung und zeichnete die zwei Rennfahrer Christian und Lurion durch Ansprachen aus.

Unter neuerlichen Ovationen des Publicums verliess der Monarch mit den übrigen hohen Herrschaften die Corsobahn. Auf dem ganzen Weg zur Kaiservilla war der Kaiser Gegenstand herzlichster Sympathiekundgebungen.


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