Das Otto-Zweirad

Aus: Fahrrad und Radfahrer, Wolf (1890)

Ehe wir zur Betrachtung des Dreirades und der doppelsitzigen Fahrräder übergehen, haben wir noch eines ganz eigenartigen Zweirades zu gedenken, daß bereits 1879 von der Otto Safety-Bicycle Co. in London auf den Markt gebracht wurde und seiner Zeit gerechtes Aufsehen erregte. Es ist dies das Otto-Zweirad, von dem wir nach der Illustrierten Zeitung Band 79 Seite 348 eine kurze Beschreibung geben.

Auf den ersten Blick, besonders wenn ein Fahrer oder eine Fahrerin auf ihm sitzt und den Mechanismus verdeckt, möchte man es als ein Dreirad mit mittelbarer Hintersteuerung, also mit kleinem Hinterrad, halten, es hat aber nur zwei gleichgroße Räder, welche nicht hinter- sondern nebeneinander sich um eine gemeinsame Achse drehen und ihren Antrieb von einer gesondert gelagerten gekröpften Welle erhalten. Der Sitz befindet sich zwischen den beiden Rädern über der Achse. Die Lenkbarkeit des sonderbaren Fahrzeugs wird durch eine sehr sinnreiche Einrichtung bewirkt. Die Übertragung der drehenden Bewegung der Trittwelle auf die Räder erfolgt durch dünne Stahlbänder und diese laufen über Riemenscheiben, deren äußerer Rand zur Vermehrung der Reibung eine Gummieinlage erhalten hat. Die zwei Eisenstangen, an welchen die LAger der Trittwelle befestigt sind, sind mit der Hauptachse nicht fest verbunden, sondern in zwei röhrenfömigen Führungen derart beweglich, daß der Raum zwischen den auf der Trittwelle befindlichen Riemenscheiben und den mit den Triebrädern verbundenen vergrößert oder verkleinert werden kann. Durch Drehen der zu beiden Seiten des Sitzes angebrachten Handgriffe nach auswärts kann nun jede der unteren Riemenscheiben unabhängig von der anderen der Hauptachse genähert werden, do da&azlig; das betreffende Stahlband locker wird und der Zusammenhang zwischen dem Triebrad und der Triebwelle aufhört. Denkt man sich z.B. den rechts befindlichen Handgriff nach außen gedreht, so hört der Zusammenhang zwischen dem rechten Triebrad und der Triebwelle auf und ersteres erhält keinen Antrieb mehr, während das linke Triebrad noch in Drehung versetzt wird; die Folge davon ist ein Rechtslaufen des Fahrzeugs. Läßt man jetzt noch die Bremse auf das rechte Triebrad einwirken, so kann man in einem Kreise fahren, dessen Halbmesser nicht größer als der Radstand des Vehikels ist. Die Bremsvorrichtung ist gleichfalls für jedes Rad besonders angebracht und die betreffenden Handgriffe befinden sich in den Handgriffen zum Verstellen der Trittwelle, so daß sie mit den Zeigefingern zu erreichen und in Wirksamkeit zu bringen sind.

Auf den ersten Blick ist es sicher jedem zweifelhaft, daß es möglich ist, auf einer derartigen Maschine im Gleichgewicht zu bleiben, die Erhaltung desselben beruht jedoch auf denselben Gesetzen, die beim Stehen oder Gehen zur Anwendung kommen, und ist dadurch bedingt, daß man den Schwerpunkt des Körpers stets senkrecht über der Hauptachse zu halten sucht. Da dies jedoch dem Anfänger natürlich nicht ganz leicht ward und es selbst dem geübten Fahrer noch geschehenkonnte, nach vorn oder hinten umzukippen, war an der Hauptachse eine Eisenstange angebracht, welche, nach rückwärts gebogen, bei wagerechter Stellung der Maschine nahezu den Boden erreichte, so daß ein Umfallen nach hinten nicht eintreten konnte. Beim Überkippen nach vorn konnte der Fahrende, da die Trittwelle ziemlich tief gelagert war, mit den Füßen leicht den Erdboden erreichen. Von einer größeren Verbreitung des Otto-Zweirades, welcher allein schon die Schwierigkeit des Erlernens hindernd im Weg stand, ist uns nichts bekannt geworden.


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